Roma: Michael Horvath,  "Pozzi-Mischka" (*1922 / +2004)

Roma: Michael Horvath, "Pozzi-Mischka" (*1922 / +2004)

„Pozzi“ Michael Horvath, war schon zu Lebzeiten eine Legende. Er war im ganzen Burgenland bekannt. Alle nannte ihn „Pozzi", unter diesem Namen kannte ihn jeder. Er war in jungen Jahren ein stämmiger Mann mit breitem Gesicht. Er war nicht allzu groß, kaum über einen Meter sechzig und hatte schon in jungen Jahren eine Glatze bekommen. Nach dem Krieg verdingte er sich als Erntehelfer und im Winter als Tagelöhner bei verschiedenen Fleischhauern im Schlachthof in Oberwart. - Seine große Leidenschaft galt dem Fußball, insbesondere natürlich dem Oberwarter SC. Diese Leidenschaft ging soweit, dass er sich „SC Oberwart 1912" auf seinen Arm tätowieren ließ. Er war bei jedem Spiel des Vereins dabei, egal bei welchem Wetter, ganz gleich, ob Heim­ oder Auswärtsspiel. Vielen Burgenländern war der Name „Pozzi" vielleicht bekannter, als die der Oberwarter Fußballer. (Gerüchten zufolge ließ er sogar das Begräbnis seiner Frau verschieben, damit es nicht mit einem Spiel kollidierte, obwohl die Beziehung zwischen den beiden sehr gut war). - Zu Pozzis Bekanntheit trug auch seine Tätigkeit bei der „Inform“, einer Messe in Oberwart bei. Über fünfundzwanzig Jahre lang war Pozzi fixer Bestandteil dieser jährlichen Großveranstaltung. Der Sportverein sorgte dafür, dass Pozzi auf der Messe als Reinigungskraft arbeiten konnte. Er räumte die gebrauchten Gläser, Flaschen und Teller ab und putzte. Dabei trug er einen weißen Mantel und seine weiße Schirmmütze, die zu seinem Markenzeichen wurde. Er war sehr umgänglich und unterhielt sich mit jedem. Weil viele ihn kannten, wurde Pozzi zu einem äußerst beliebten Fotomotiv. Pozzi gehörte zur Oberwarter Messe wie der Name lnform. Pozzi wurde besonders von der älteren Generation der Gadsche für seine Offenheit und seine Handschlagqualität geschätzt. - Als seine Weggefährten aus der Siedlung nach und nach gestorben waren, war Pozzi der letzte Überlebende der Oberwarter Roma, die in einem Konzentrationslager gewesen waren. Während andere von ihnen kaum öffentlich sprechen wollten, war er schlau genug, um von Reportern Geld für seine Auskünfte zu verlangen. Pozzi erzählte den Reportern allerdings nur, was allgemein bekannt war. - Einen weiteren tiefen Einschnitt in sein Leben bedeutete das Attentat 1995, bei dem zwei seiner Enkelkinder ihr Leben verloren. - Als Pozzi erfuhr, dass Stefan Horvath, ein Schriftsteller aus der Oberwarter Romasiedlung, ein Buch mit dem Titel „Ich war nicht in Auschwitz" schreiben wolle, war er sofort bereit, ihm alles über sein Leben und die Geschichten der anderen Roma zu erzählen. Dabei berichtete er unfassbare Details über die Deportationen und über das Leben in den Konzentrationslagern. Auch von der Rückkehr nach Oberwart und dem Verhalten der Obrigkeit erzählte er. „Ich höre seine Worte noch heute“ meint Stefan Horvath: „Pisin ada tel" heißt auf Deutsch „Schreib auch das nieder." - Da war sie auf einmal, die dunkle, tragische Vergangenheit eines Mannes, der in Stefan die Hoffnung sah, seine Geschichten endlich los zu werden, indem sie zu Papier gebracht werden würde. Er vertraute ihm vieles von dem an, was er und der Vater von Stefan erlebt hatten. Die beiden waren ein Leben lang Freunde gewesen. Was er erzählte, waren intime Dinge, die er im Konzentrationslager erleiden musste. Und da er Stefans Eltern versprochen hatte, den Kindern zu ihren Lebzeiten über diese Erlebnisse nichts zu erzählen, traten erst durch die Berichte Pozzis viele grauenvolle Details der Zeit in den Konzentrationslagern ans Licht der Öffentlichkeit und damit an Stefans Ohr.

JAHR DER ENTSTEHUNG

1993

ANGABEN ZUR HERKUNFT DES BILDES

Hochgeladen von: Digitale Sammlung Langer / Schober

Herkunft des Bildes: Photo: Robert Newal

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