Artikel in der Oberwarther Sonntags-Zeitung vom 2. März 1930 über eine Ausschußsitzung des Verschönerungsvereins

Artikel in der Oberwarther Sonntags-Zeitung vom 2. März 1930 über eine Ausschußsitzung des Verschönerungsvereins

Der Artikel nennt aus Sicht des Vereins unaufschiebbare Maßnahmen in der Stadt und weist auch kritisch auf verschiedenste Missstände hin. - Hier der gesamte Text des langen Artikels: "Verschönerungsverein Oberwarth. Am 19. Februar fand eine Ausschußsitzung des Verschönerungsvereines Oberwarth statt. Zur Sprache kam der Arbeitsplan für das Jahr 1930, welcher unaufschiebbare und für die Entwicklung unserer Gemeinde überaus wichtige Arbeiten und Unternehmungen vorsieht. Die Durchführung des Arbeitsplanes ist nur mit Hilfe der gesamten Bevölkerung ohne Ausnahme und mit Unterstützung der zuständigen Behörden möglich. Der Verschönerungsverein wird von der Ueberzeugung geleitet, daß die von Jahr zu Jahr fortschreitende Entwicklung Oberwarths zu einem wichtigen Geschäfts- und Verkehrszentrum nicht länger ein untätiges Sichgehenlassen duldet, vielmehr ein planmäßiges und energisches Handeln erfordert. - Die derzeit bestehenden Zustände auf den Straßen und Plätzen von Oberwarth sind überaus trostlos. In der letzten Woche vor Eintritt der Kälte boten sie den Anblick eines Morastes, das Passieren der Straßen im Zentrum des Ortes war ein kaum zu lösendes Problem. Von den weiter gelegenen Ortsteilen soll nicht erst gesprochen werden. Für die Straßenreinigung haben sich die zuständigen Behörden das merkwürdige System zurechtgelegt, daß in weiten Zeitabständen der Kot zu Haufen zusammengescharrt und seinem weiteren Schicksal überlassen wird, bis der nächste Regen die Kothaufen zerfließen läßt. Man muß sich wirklich erstaunt fragen, wozu man sich die Mühe und die Kosten dieser sonderbaren Straßenreinigung macht. Die betreffenden Organe würden sich sicherlich sehr betroffen fühlen, wenn man diese tristen Straßenverhältnisse mit den berüchtigten polnischen Straßen vergleichen wollte. Als notwendige Folge dieses Systems sind die Straßen von einer dicken Schmutzschicht bedeckt, welche, von den zahlreichen Autos zu Staub zerrieben, im Sommer eine nicht zu beschreibende Plage bildet. Ein Versuch, die Staubplage durch eine kleine Spritze mit einer Spritzweite von einigen Zentimetern zu meistern, hat sich im Sommer 1929 als ein schlechter Witz erwiesen. - Oberwarth muß. sich dank seiner Lage als Knotenpunkt wichtiger Verkehrsadern, als Bezirksvorort zu einer Handelsstadt entwickeln. Jeder einzelne muß sich vor Augen halten, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse sich in unaufhörlicher Veränderung befinden. Der Landwirt wird seinen Kindern eine selbständige Existenz als Bauer nicht sichern können, da der Boden schon heute in Zwergparzellen zerrissen ist. Die Bauernsöhne müssen daher in das Gewerbe, in die Industrie und in den Handel abwandern. Um sich aber bei dem großen Angebot an Arbeitskräften zu behaupten und nicht in dem großen Strom der Arbeitslosen unterzugehen, werden sie zuerst sich die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen müssen. Dies setzt voraus, daß in Oberwarth Schulen gegründet und Betriebe eingerichtet werden, in denen die ausgebildeten Kräfte Unterkommen können. Die Entwicklung des Ortes zu einer Stadt erfordert ferner eine neuzeitliche Gemeindeverwaltung. Moderne Betriebe können nur in einer ihnen entsprechenden Umgebung bestehen. Der in Schulen ausgebildete, mit Modernen Einrichtungen vertraute Mensch kann sich nicht mit den primitiven Zuständen begnügen, in welchen seine Ahnen gelebt haben. - Wenn daher der Verschönerungsverein mit diesem Aufruf vor die Allgemeinheit tritt, so will er das Gemeinwohl fördern und jene Aufgaben beleuchten, welche die Aufgaben eines jeden sozial denkenden Bürgers sind. Es ist ein Glück für Oberwarth, daß an der Spitze der Gemeinde ein durch Umsicht, Verständnis für die Bedürfnisse der Verwaltung und Tatkraft gleich ausgezeichneter Mann steht. Bürgermeister Sisko hat dies im Jahre 1929 bewiesen, als er trotz bedeutender Widerstände den Bau der Hauptschule durchsetzte. Es ist daher nicht zu zweifeln, daß die Bestrebungen des Verschönerungsvereines in ihm einen warmen Förderer finden werden. Im Folgenden sollen die einzelnen Punkte des Arbeitsprogrammes kurz gestreift werden. - An erster Stelle steht die Straßenreinigung und die Bekämpfung der Staubplage, die Beleuchtung der Straßen und ihre Benennung sowie die allgemeine Kanalisierung. Es darf nicht länger geduldet werden, daß der Inhalt der Jauchen- und Senkgruben sich in die Straßengräben ergießt und einen infernalischen Gestank verbreitet. Die einzelnen Hauseigentümer müssen für die Reinigung der Vorplätze und Gräben vor ihren Häusern Sorge tragen. Hier muß verlangt werden, daß das Bauamt die Straßengräben und die ihm unterstellten Straßen regelmäßig reinigen und daß die Straßenverwaltung die Kothaufen abführen läßt. Das Bauamt sollte ferner den Ortsbach ausbaggern lassen, der besonders im Sommer eine Brutstätte von Fieberkeimen ist und den Oberwarthern noch eine unangenehme Ueberraschung machen wird, wenn für seine Reinigung nicht rechtzeitig Vorsorge getroffen wird. In diesem Zusammenhang sei auch der schlechte Zustand der Brücken über die Pinka, insbesondere der Brücke neben dem Wehoferschen Geschäft erwähnt, welcher schon zu Unglücksfällen Anlaß gegeben hat. Auch sollten in der Gasse zwischen dem Roten Kreuz und Wehofer die Straßengräben zugedeckt werden, da die Gasse für den Autoverkehr zu eng ist. - Ein weiteres wichtiges Erfordernis ist die Schaffung eines allgemeinen Verbauungsplanes für den ganzen Ort, damit das wahllose Bauen aufhört und im Vorhinein die zukünftigen Straßenzüge festgestellt werden. Dadurch wird es jedermann ermöglicht, die Lage der Bauparzellen kennenzulernen und sich gegen eine mögliche Verweigerung der Baubewilligung aus einem für die Verbauung nicht in Betracht kommenden Grund zu sichern. Hieher gehört auch das Verlangen nach der Umwandlung des Viehplatzes in einen Park, die Beleuchtung des Parkes sowie die Verlegung der Heuwaage, welche nicht in den Stadtpark hineingehört. Es ist wohl auch kein unbilliges Ansinnen, daß der Inhaber des Kinotheaters sich daran gelegen sein läßt, daß dem Vorplatze des Kinos, der sich jetzt wie ein Schutthaufen ausnimmt, das Aussehen einer Anlage verliehen wird. Ebenso sollten die Zugänge zum Kino instandgehalten und beleuchtet werden. Es ist übrigens ein schlechtes Geschäftsprinzip, das sich noch immer gerächt hat, sich damit zu begnügen, das Publikum mit leeren Versprechungen anzulocken und ihm dann schlechte Darbietungen zuzumuten. Eines Tages merkt es doch, daß es düpiert wird und bleibt aus. Die geschäftstüchtigen Amerikaner haben den Begriff des Kundendienstes ausgebildet, welcher besagen will, daß man das Publikum durch gute preiswerte Waren und Leistungen heranziehen soll. - Für das äußere Straßenbild ist auch die Anlage von Gehsteigen nach einheitlichem Plan von gleicher Breite und Niveau und das Ausbetonieren derselben von Wichtigkeit. Mit der hier herrschenden Anarchie muß Schluß gemacht werden. - Eine Angelegenheit von großer Wichtigkeit ist die angemessene Beleuchtung des Bahnhofes und die Vorsorge dafür, daß die Züge aus verschiedenen Richtungen nicht zu gleicher Zeit einlaufen oder abgelassen werden, weil die kleine Bahnhofanlage das ganze Publikum nicht aufnehmen kann. Es sollten auch geeignete Warteräume zur Verfügung gestellt werden. - Der Verschönerungsverein hat noch viele Punkte in seinem Arbeitsprogramm, wie die Errichtung eines Bades; nur die wichtigsten konnten besprochen werden. Noch ein Problem soll hier zur Sprache gelangen, das ist die Zigeunerplage. Es muß jeden Fremden sonderbar berühren und fällt den Einheimischen auf die Nerven, daß auf dem Hauptplatz immer die zerlumpten Gestalten der Zigeuner herumlungern, die Passagen versperren und sich laut schreiend unterhalten. Die Behörden sollten hier einschreiten und Ordnung schaffen. Der Ausschuß hat die Generalversammlung für den 7. März, 8 Uhr abends, in das Kaffeehaus Köhler (Bauernstube) einberufen. Es ist Pflicht aller Mitglieder des Verschönerungsvereines zu erscheinen, jeder einzelne muß sich sagen, daß es um seine eigene Sache geht. Nur in diesem Falle wird der Vorstand, auf die von den Mitgliedern repräsentierte öffentliche Meinung gestützt, mit Nachdruck sein Programm den zuständigen Behörden gegenüber vertreten und mit Beihilfe aller verwirklichen können zum Wohle unserer Gemeinde und zum Wohle des einzelnen."

JAHR DER ENTSTEHUNG

1930

ANGABEN ZUR HERKUNFT DES BILDES

Hochgeladen von: Tillfried SCHOBER

Herkunft des Bildes: © ÖNB – ANNO: Historische österreichische Zeitschriften und Zeitungen

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